HISTORY
„Balkan Berlinette“


Vor dem im Hintergrund liegenden schwarzen Meer bei Sliven, treiben die Gebrüder Takov Ihre Berlinette bergwärts.
In 1972 begann Alpine Renault Ihre Fahrzeuge vom Typ A110
1600S Gr.IV mit breiten Kotflügeln vom Typ „ailes plates“
auszurüsten. Zum einen boten die Radhäuser nunmehr deutlich
mehr Platz für eine breitere Bereifung, zum anderen eine
bessere Freigängigkeit der Räder im Radhaus. Dies brachte
Vorteile vor allem bei „tiefem Geläuf“ auf den
internationalen Rallyepisten.
Entsprechende Eintragungen im Archiv von „Service Course“
belegen, dass das hier vorgestellte Fahrzeug eines der ersten
drei A110 1800 Gr. IV sein sollte, welches mit diesen
verbreiterten Radhäusern in der Werkswagenabteilung
hergestellt wurde.



„le bleus“ von links nach rechts: 1600S Tchoubrikov, 1800Gr.IV Takov und die A110 1800 Gr.IV von Maurice Nussbaumer sowie diverse Bulgaralpines in rot und gelb.
HISTORY
Olympia Rallye 1972
Rallye Fieber in Deutschland


Wertungsprüfung Nr. 36 in Schlüchtern sollte das vorzeitige Aus für die Brüder Takov bringen.

Der Bulgare Illja Tchoubrikov, seines Zeichens Lizenznehmer
und Produzent der in Bulgarien gefertigten sogenannten
„Bulgaralpine“ unterhielt gute Beziehungen ins Werk zu Jean
Redele und war auch als Fahrer auf den Rallyepisten Osteuropas
kein unbeschriebenes Blatt.
Mit seinem Freund und Wegbegleiter Yancho Takov, Sohn des
damaligen Außenhandelsministers von Bulgarien Peko Takov,
besuchte er 1972 die Sportabteilung von Alpine Renault, um
die von ihm georderte 1600S Werksalpine in Augenschein zu nehmen.
Yancho Takov zeigte bei diesem Besuch nachhaltiges Interesse an
einer dort stehenden und ursprünglich für Ove Andersson
präparierten Berlinette 1800 Gr. IV. Er erhielt die Möglichkeit,
das Fahrzeug direkt von Jean Redele zu erwerben und so fanden
diese zwei Berlinetten ihren Weg nach Bulgarien.





HISTORY
Polen Rallye 1974



In 1974 wechselte das Kennzeichen des Fahrzeuges als auch dessen
Fahrer.
Radislav Petkov war der neue Pilot dieser Berlinette,
welche fortan das bulgarische Kennzeichen CK-0171 trug.


HISTORY
Rallye Zlatni (BG) 1975
Bulagrien Rallye 1975


Das Zuschauerinteresse am Rallyesport im Ostblock war überwältigend Anfang der 70er Jahre, wie diese Aufnahme eindrucksvoll bestätigt. Viele Zuschauer wollten einen Blick auf die vorbeirasenden Boliden erhaschen und drängelten sich am Rande der Strecke, oder an den angrenzenden Tribünen und Parkhäusern um die besten Plätze.
Ein erneuter Eigentümerwechsel brachte 1975 Ivan Nikolov in das Cockpit der ehemaligen CK-0171, mit welchem auch ein erneuter Kennzeichenwechsel einherging. CK-0172 war zukünftig das Erkennungsmerkmal dieser Berlinette. Ivan Nikolov beteiligte sich an diversen Rallyes und Bergrennen in Bulgarien und Polen und führte das Fahrzeug 1975 zum Titel des bulgarischen Rallyemeisters.
HISTORY
Gnadenbrot







SAR
french connection

… mit Hindernissen
Recherechen zufolge wurde im Februar 1997 diese Berlinette 1800 Gr.IV von einer uns unbekannten Person von Bulgarien nach Frankreich reimportiert. Dort wiederum wurde sie im Laufe der folgenden Jahre durch die Hände mehrerer Besitzer gereicht, ohne dass Sie einer Restauration zugeführt wurde. Auch die Historie dieser speziellen Berlinette blieb den Franzosen verborgen, weshalb sich wohl ein jeder Besitzer an den Anbauteilen dieser Alpine schadlos hielt. So kamen dem Fahrzeug unglücklicher Weise im Laufe der Zeit viele seiner Anbauteile abhanden. Wir konnten das Fahrzeug in Frankreich erwerben und versuchten die Historie des Fahrzeuges in Bulgarien zu rekonstruieren.
Mit der Wiederherstellung der Karosserie betrauten wir einen vermeintlichen Spezialisten für Polyesterarbeiten mit Alpine Erfahrung in Passau. Dieser Kontakt entpuppte sich im Laufe der Jahre als höchst unseriös und inkompetent und offenbarte, dass er mit dieser Aufgabe völlig überfordert war. Nach unglaublichen 8 Jahren des vertrauensvollen Wartens nahmen wir die Arbeiten selbst in die Hand. Was dieser vermeintlich Fachmann in 8 Jahren nicht zu Wege brachte, erledigten wir bei alpineLAB in kurzer Zeit.
Restauration
blood, sweat & tears

Wenn man sich an die Recherche der Historie eines ehemaligen
Wettbewerbsfahrzeuges macht, stößt man trotz modernster
Kommunikationsmedien sehr schnell an seine Grenzen.
Insbesondere dann, wenn das Fahrzeug in einem Land verweilte,
dessen Sprache man nicht spricht, oder dessen Schriftzeichen
man nicht in der Lage ist zu lesen.
So geschehen mit dieser speziellen Berlinette, welche Ende
1971 fertig gestellt in den heiligen Hallen von „Service
Courses“ in Dieppe, ihren Weg nach Bulgarien fand.
Obwohl wir dennoch, aller Widrigkeiten zum Trotz den
Erstbesitzer und Käufer dieser Berlinette, Yancho Takov,
nach langer Suche in Bulgarien ausfindig machen konnten,
folgte der anfänglichen Freude die Ernüchterung auf dem Fuß.
Am Telefon zeigte sich Takov in gut verständlichem Englisch
anfänglich leider sehr wortkarg und desinteressiert. Es
gelang uns dennoch, einige wenige Informationen aus seinem
Munde zu erhalten. Er führte aus, dass er irgendwann in
1971 zusammen mit Tchoubrikov die Werkshallen in Dieppe
besuchte, wo unter anderem eine Zusammenkunft mit Jean
Rédélé auf dem Programm stand. In der Fertigungshalle
der Werkswagen erregte diese spezielle Berlinette seine
Aufmerksamkeit, welche als eines der ersten Fahrzeuge
bereits mit einem 1796ccm Motor präpariert von Bernard
Dudot, als auch mit den breiten Gr.IV Kotflügeln vom Typ
„ailes plates“ ausgerüstet war.
Takov führte in unserem Telefonat weiter aus, das Fahrzeug
sei laut Aussage von Jean Rédélé speziell für Ove Andersson
präpariert worden.
Ob diese Aussage von Takov der Wahrheit entspricht und wie es ihm gelang, diese Berlinette an gleicher Stelle zu erwerben, lässt sich nach solch langer Zeit nicht mehr verifizieren.
Fakt ist allerdings, dass sich hinter jedem Fahrzeug eine Menge von Geschichten und evtl. auch Legenden verbergen, die es gilt ans Licht zu bringen. Nicht immer rennt man offene Türen ein und trifft auf Interesse und Kooperationsbereitschaft der Vorbesitzer. So verkommt ein anfänglich reizvolles Unterfangen oftmals zu einer zeitaufwändigen und nervigen Sisyphusarbeit und mündet trotz aller Anstrengungen am Ende das eine oder andere mal in einem unbefriedigenden oder gar enttäuschenden Ergebnis. C’est la vie.
Apropos Sisyphusarbeit. Ein besseres Synonym für die Restaurationsarbeit an einer Berlinette dürfte schwer zu finden sein. Daher genug der Worte, die Fotocollage mag für sich sprechen und Ihre Geschichte wortlos an den Interessenten transferieren.
„Sisyphusarbeit“
Back On Track


Was länge währt, wird endlich gut
Eine langjährige und nervenaufreibende Wartezeit, als auch eine aufwändige und zeitintensive Restaurationsphase liegen hinter dieser geschichtsträchtigen A110 1800 Gr. IV. Im April 2014 war es dann endlich soweit und sie nahm erstmalig wieder Asphalt unter ihre Räder.
Als eine von lediglich zwei echten A110 1800 Gr. IV fand sie den Weg von Dieppe nach Bulgarien hinter den eisernen Vorhang und wieder zurück. Ihre lange und materialmordende Rallyehistorie, Misshandlungen und Metamorphosen, die Strapazen einer Vollrestauration, als auch die Langfinger welche sich an dieser Berlinette schadlos hielten, sind Teil ihrer Geschichte. Viele lange Jahre wurde sie kalt gestellt in den Katakomben eines unseriösen Restaurationsbetriebes und schien ob der dortigen Misshandlungen fast schon verloren.
Unsichtbar verschwunden scheinen all die Geschehnisse in Anbetracht ihres jetzigen Erscheinungsbildes.
„ALPINE A110 – für Kurven gemacht“
Der mit Vorsicht zu geniesende Geradeauslauf einer A110 ist geradezu berühmt-berüchtigt und trieb schon so manchem A110-Besitzer den kalten Schweiß auf die Stirn. Auf engen, kurvigen Landstraßen oder Alpenpässen ist Sie jedoch in Ihrem Element und bietet Fahrspaß pur. Schon beim ersten Rendevouz ist ihre Agilität und Wendigkeit spürbar und nicht umsonst ist ihr Name Programm. Abgeleitet von der Alpenrallye „Coupe des Alpes“ ist die ALPINE A110 wie „für Kurven gemacht“.
Nehmen Sie Platz – so Sie können
Zugegeben – nicht jedem wird das Privileg zu teil, eine Berlinette fahren zu dürfen, bzw. zu können. Schon alleine die schiere Körpergröße selektiert den Kreis der Auserwählten, ist selbiger mit Körpergröße jenseits der 190cm äußerst überschaubar - von Beschränkungen der Schuhgröße erst gar nicht zu reden. Die Sitze lassen nur begrenzten Spielraum an Verstellmöglichkeit nach hinten, wird diese durch den im Fond befindlichen Kraftstofftank merklich eingeschränkt. Idealgewicht in Relation zum Körpergewicht scheint zudem eine erstrebenswerte Kombination, um sich am Volant einer Berlinette wohl zu fühlen. Hat man seinen Platz gefunden, befinden sich alle Bedienelemente in unmittelbarer Reichweite - selbst dann, wenn man durch die starren CIBIE-Hosenträgergurte in den engen Sitzen zurückgehalten wird.





Farbenspiel
Colorierte Stoßstangen sowie Lufthutzen – in diesem Fall orange - waren typisch für die Werkswagen in den Jahren 1970-1972. In grün, gelb, rot, weiß und orange wurden diese Bauteile farblich abgesetzt, um die einzelnen Fahrzeuge im Rallyebetrieb einfacher unterscheiden zu können. Auch der spezielle und extrem flach bauende Rückfahrscheinwerfer entspricht der Originalkonfiguration und lediglich die in Campagnolo–Gold lackierten Monte Carlo Gotti`s, tragen die Handschrift des Restaurators.






