top of page

Die Rückkehr einer Legende

Aktualisiert: vor 2 Tagen

Meine Reise zur Alpine A210, Chassis Nr. 1725

 

Es gibt Träume, die begleiten uns ein Leben lang. Sie reifen leise im Hintergrund, getragen von Erinnerungen, Begegnungen, Leidenschaft. So auch der Erwerb des wohl bedeutendsten Fahrzeugs der Alpine-Geschichte -

der A210 mit der Chassis Nummer 1725.

Die außergewöhnlichste A210 unter den nur 7 gebauten Exemplaren - die ehemalige Le-Mans-Alpine von Gérard Gombert – ein Wagen, der Motorsportgeschichte schrieb, welcher unberührt blieb und zu welcher ich eine persönliche Verbindung trage.

Für viele ist sie der Heilige Gral unter allen Alpines. Für mich ist sie noch mehr, ein Symbol für Leidenschaft, Beharrlichkeit und Originalität – und nun ein Teil meiner persönlichen Alpine-Geschichte.





24h Le Mans 1968



RÜCKBLICK



Pilgerstätte aus Rost und Ruhm – Die vergessene Welt des Gérard Gombert


Zwei Begegnungen mit Gérard Gombert

 

In den stillen Hügeln am Rand der Stadt, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten, lebte Gérard Gombert –

ein kauziger, alter Einsiedler. Jahrzehntelang hatte er sich von der Welt zurückgezogen, umgeben von rostigen Schätzen und verbeulten Relikten der Automobilgeschichte. Sein Schrottplatz war ein verwunschener Ort, über den Legenden kursierten.

 

Meine erste Begegnung mit Gérard Gombert liegt weit zurück – im Jahr 2001. Damals besuchten wir ihn auf seinem legendären Schrottplatz in Fayence, mitten in der Provence. Ein Ort wie aus der Zeit gefallen, voll rostender Kostbarkeiten, eingefroren im Dornröschenschlaf.

Alte Renaults, Peugeots, Mercedes – allesamt vom Staub der Jahre bedeckt, doch voller Geschichten.

Wir halfen ihm, seinen liegengebliebenen Mercedes „Strich 8“ abzuschleppen – eine absurde, beinahe filmreife Szene, die der Beginn einer ganz besonderen Verbindung werden sollte.







Die Magie des Verfalls


Ein zweites Mal sah ich Gérard im Sommer 2010. Kein Schild wies den Weg, kein Eintrag auf Karten oder Websites. Wer den Platz fand, hatte ihn sich verdient. Und wer ihn betrat, wurde still. Der Wind wehte durch zerbrochene Fenster, Vögel nisteten in Motorblöcken – und Gérard, meist nur leicht bekleidet, winkte freundlich an der Pforte seines Anwesens,

als wir ankamen.

Bei einem Glas Rosé inmitten verstaubter Raritäten lauschten wir seinen Geschichten – endlos, fantastisch, skurril, voller Leidenschaft. Gérard sprach selten viel, aber wenn er sprach, war jedes Wort ein kleines Gedicht aus Benzin,

Vergangenheit und mechanischer Philosophie. Sein Wissen war umfassend, seine Sammlung unerschöpflich, sein Blick verträumt und in der Vergangenheit verhaftet. Gerard erzählte stundenlang aus seinem Leben, von Autos, Motorrädern, Rennen, Träumen. Die Stunden vergingen wie Minuten.

Am Ende verabschiedeten wir uns herzlich. Wir verließen Fayence nicht nur mit vielen bleibenden Eindrücken, sondern auch als Freunde.






Das Erbe von Gérard Gombert


Im April 2016 starb Gérard – ein Verlust, der in der Szene tiefe Spuren hinterließ. Es war, als würde ein Kapitel Motorsportgeschichte für immer geschlossen. Bei der Auktion seines Nachlasses war ich fest entschlossen, die A210 zu ersteigern. Ich war dort – bereit zu bieten, doch der Preis explodierte, stieg ins Unermessliche und ein anderer Liebhaber machte das Rennen.








Gekröntes Erwachen

 

In der Finsternis der verlassenen Scheune – ohne Türen, ohne Fenster – lag sie verborgen.

Alpine A210 Chassis Nr. 1725. Ein Torso aus morschendem Stein und rauem Holz umgab sie, als würde sie in einem stummen Gefängnis ruhen. Staubschichten hatten sich über Jahre hinweg in jeder Kerbe und jeder Nut abgelagert, als wollten sie das Flüstern ihrer Geschichte bewahren. Siege, Pannen, der bittere Duft von Benzin in der Luft von Le Mans.

 

Ich trat näher. Im schwachen Schummerlicht erkannte ich etwas Unfassbares. Der echte Lorbeer-Siegerkranz, vergilbt und doch majestätisch, lag noch immer auf ihrem Dach.

Der Kranz war stummes Zeugnis eines Klassensieges, den niemand mehr feiern dürfte – und doch war er hier, als wäre er festgewachsen an diesem Wagen, als wolle er nicht zulassen, die Erinnerung an diesen Triumph verginge.

In diesem Moment hielt ich den Atem an. Der Staub tanzte im Lichtkegel, als würde er den Wagen in einem letzten Triumphzug begleiten. Ich spürte das Pochen meines Herzens im Takt der Vision, welche sich vor mir entfaltete.

Die Rennstrecke, die Motorengeräusche, das Jubeln der Menge am Circuit de la Sarthe und über allem schwebte der Lorbeerkranz. Als Krönung dieser Szene, ein Symbol ewiger Erinnerung, das selbst Jahrzehnte des Vergessens nicht hatte brechen können. Da stand sie nun – befreit aus ihrem steinernen Gefängnis, erleuchtet vom ersten Sonnenstrahl.





Befreiung bedeutet Abschied

 

Ein dumpfer Schlag hallt durch das Tal von Fayence. Ein Loch – grob, fast archaisch – wurde in das alte Mauerwerk geschlagen. Und durch diesen Riss, wie durch einen Spalt in der Zeit, dringt zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Licht in die Gruft. Staub wirbelt auf, Sonnenstrahlen tasten sich hinein, als wollten sie sich vergewissern, dass es

wirklich wahr ist.

Dort steht sie. Alpine A210, Chassis Nr. 1725. Seit über 40 Jahren gefangen, vergessen, begraben unter Trümmern und Schweigen. Und doch intakt, stolz, mit Würde gealtert wie eine ägyptische Mumie in ihrem steinernen Sarkophag.

Ihre Karosserie trägt die Spuren der Zeit, nicht als Makel, sondern als Zeugnis eines Lebens auf der Rennstrecke von

Le Mans.

Langsam, fast ehrfürchtig, nähern sich die Enthusiasten. Keine hektischen Bewegungen, kein Lärm – nur das leise Quietschen eines Wagenhebers, das Kratzen von Reifen auf Schotter, das Flüstern von Stimmen, die das Wunder kaum fassen können. Die Reifen, flach, rissig, müde und tragen dennoch ihr Gewicht. Die Räder drehen sich – frei.

Die Bremsen blockieren nicht. Es ist, als hätte sie nur geschlafen, all die Jahre.

Dann rollt sie hinaus – in das Licht, in die Freiheit. Die alte Landstraße, nur wenige Meter vom Schrottplatz entfernt, wird zur Bühne. Passanten bleiben stehen, zücken ihre Handys, sprechen in leiser Aufregung. Ein Kind fragt seinen Vater, was das für ein Auto sei. „Eine Legende“, antwortet er. Und das ist sie.


Am Straßenrand wartet der LKW. Sein metallischer Korpus glänzt in der Sonne, bereit, sie auf eine neue Reise zu schicken. Ein letzter Blick zurück – auf die zerbrochene Mauer, auf den Schrottplatz, der nun wieder still ist.

Dieser Ort, der sie einst verschluckt hatte, gibt sie nun frei. Ein Moment voller Ehrfurcht, voller Dankbarkeit, aber auch mit einem Hauch von Wehmut. Die Alpine verlässt ihren Ort des Schweigens – und tritt zurück in die Welt.

Nicht restauriert, nicht neu geboren – sondern authentisch, lebendig und bereit, ein neues Kapitel zu schreiben.



Photos: „Phares Jaunes et Damiers“




Zweites Leben



RM Sothebys Auction - Le Mans Classic 2023


Der Traum, der fast Realität wurde

 

Am 9. Juni 2023 schrieb das Auktionshaus RM Sotheby’s ein ganz besonderes Kapitel der Motorsportgeschichte.

Im Rahmen der Le Mans Centenary Auction wurde eine Legende zum Verkauf angeboten – die Alpine A210 aus dem Jahr 1967.

Nicht irgendein Auto. Dieses Auto war ein Stück Rennsportgeschichte. Unrestauriert, mit Patina, eingefroren in der Zeit – über 40 Jahre eingemauert in einer Zeitkapsel auf dem Schrottplatz von Gérard Gombert.

Eine Maschine, geschaffen für Effizienz und Eleganz, gebaut, um das Maximum aus jedem Tropfen Treibstoff herauszuholen. Nicht für die brutale Gewalt der schnellsten Runden, sondern für das intelligente Spiel mit Physik, Luftwiderstand, Gewicht. Die Alpine war der stille Held von Le Mans – geschaffen, um den Index of „Thermal Efficiency“ zu dominieren. Und sie war wunderschön.



Bietergefecht – Das erbitterte Duell um die Alpine A210


Ich kannte sie schon, bevor sie zur Auktion kam. Ich hatte sie einst gesehen - live, durch einen Spalt

im Mauerwerk auf dem Schrottplatz von Gérard Gombert. Später 2016 noch einmal, auf der Auktion

in Fayence, wo sie aus ihrem Sarkophag erlöst und das Licht der Welt wiedersah.

Unzählige Male hatte ich sie zuvor betrachtet und studiert, auf Bildern, in Videos, in alten Archivaufnahmen.

Diese Linien, diese Farbe, diese Aura. Ich hatte davon geträumt, sie zu besitzen und jetzt war sie nur einen Mausklick entfernt.

Mein Herz schlug schneller, als das Bietergefecht begann. Ich hatte mein Limit festgelegt, hatte kalkuliert, geplant, gehofft. Mit zitternden Fingern gab ich mein erstes Gebot ab. Die Zahlen kletterten, der Puls stieg - für einen kurzen Moment war ich vorn. Doch dann – ein neues Gebot, höher und noch eines. Ich zögerte. Ich kämpfte mit mir selbst. Noch ein bisschen höher? Doch da war es – mein Limit. Ich konnte nicht weiter. Die Zahl auf dem Bildschirm blieb stehen.


Unsold - Reserve not met!


Ich wusste, was das bedeutete. Der Mindestpreis war nicht erreicht. Sie blieb unverkauft. Kein neuer Besitzer,

kein neuer Anfang. Sie würde zurück in eine dunkle Halle rollen, wieder verschwinden – zumindest für eine Weile.


Die A210 unter dem Hammer - hier gehtˋs zum Auktions-Video:

 

1967 Alpine A210 #1725


Nur wenige Le-Mans-Veteranen haben eine so beeindruckende Bilanz wie diese Alpine A210. Sie nahm zwischen 1967 und 1969 dreimal an dem zermürbenden Rennen teil und erreichte beim ersten Versuch Platz neun im Gesamt und den ersten Platz in der Klasse bis 1,3 Liter Hubraum. 1968 reichte es für die Rallye-Asse Nicolas und Andruet zu P14 in der Gesamtwertung, Platz eins in der Klasse bis 1150 cm3 und zum Sieg im Index of Performance. Der letzte Einsatz in

Le Mans war weniger erfolgreich – Ausfall schon nach zwei Stunden mit durchgebrannter Zylinderkopfdichtung.

Der an sich schon seltene Wagen – es wurden nur sieben 210er gebaut – fuhr auch bei den 12 Stunden von Reims, beim 500-km-Rennen auf dem Nürburgring oder bei den 9 Stunden von Kyalami.

Nach seiner aktiven Karriere landete sie beim Mechaniker, Motorradrennfahrer und Sammler Gerard „La Gombe“ Gombert, der ihn 1971 kaufte und (unrestauriert) bis zu seinem Tod 40 Jahre später behielt. Kurz darauf ging sie für 710.00 Euro an das Auktionshaus Etude Osenat, danach wurde sie mechanisch überholt, wobei ihre wunderbare Le-Mans-Patina erhalten blieb.


Quelle: Classic Driver


Photos: Remi Dargegen


 


AUSBLICK


Dezember 2024 – Die Wende

 

Dann plötzlich, im Dezember 2024 geschah das Unerwartete, die A210 tauchte wieder auf – diesmal zum Verkauf bei Ascott Collection in Frankreich. Ich zögerte keine Sekunde, noch einmal wollte ich mein Glück versuchen.

Ich unterbreitete ein Angebot. Es folgten drei nervenaufreibende Tage voller Telefonate, Verhandlungen, Hoffnung und Bangen. Weitere Interessenten waren im Spiel und die A210 sollte eigentlich im Februar 2025 auf der Retromobile in Paris ausgestellt werden.

Mir war klar, wenn sie erst einmal in Paris steht, ist sie für mich verloren. Ich musste jetzt alles auf eine Karte setzen.




 

Der Moment der Wahrheit

 

Der entscheidende Moment kam, als der Besitzer meine Website sah – und meine Arbeit rund um die Alpine A110.

Er erkannte die Ernsthaftigkeit meiner Leidenschaft, die Tiefe meiner Verbundenheit zur Marke Alpine.

Er spürte wohl, dass dieses Auto bei mir nicht einfach in einer Sammlung verschwindet, sondern in ein neues Kapitel aufbricht. Ein Kapitel, das von Wertschätzung, technischer Expertise und echter Alpine-Leidenschaft geprägt ist.

Er erkannte, dass ich kein Spekulant bin, kein Händler - sondern ein Bewahrer, ein Enthusiast - ein Teil dieser Geschichte.

 

Dann kam der erlösende Anruf von Xavier Micheron, dem Kopf von Ascott Collection, welcher maßgeblichen Anteil daran trägt, dass diese geschichtsträchtige Alpine in meine Hände gelangen sollte:


„The car is yours“!



Eine Legende kommt nach Hause

 

Ich werde den Moment nie vergessen, mein Herz schlug wie beim Start eines Langstreckenrennens.

Zwei Jahrzehnte Sehnsucht, Rückschläge, Hoffen – alles fand in diesem einen Moment seinen Sinn.

Die A210 Chassis 1725 kommt nach Hause, in meine Sammlung, in eine Umgebung in der sie nicht nur bewundert, sondern geachtet, bewahrt und verstanden wird.

 

Sie trägt die DNA von Le Mans und ihren ehemaligen Piloten, den Atem von Gérard, Blut und Schweiß unzähliger Mechaniker, Ingenieure, Fahrer. Sie ist jetzt Teil meiner Geschichte – einer Geschichte, die weitergeschrieben werden wird. Mit jedem Ölwechsel, jeder Ausfahrt, jeder Sekunde in der ich ihren Motor starte.

Sie ist ein Zeitzeuge, eine Seele auf Rädern, eine Legende schön wie Mona Lisa.

Ja, sie ist tatsächlich die blaue Mauritius aller Alpine`s.








Ein Kunstwerk auf Rädern – endlich zu Hause

 

Und dann stand sie da. Auf dem Anhänger. Eingehüllt in die kühle Morgenluft, als ich sie aus Frankreich abholte.

Ein Monument der Motorsportgeschichte, aufgeladen auf meinem einfachen Hänger. Es war ein fast surrealer Anblick.

 

Die Rückfahrt – eine lange Reise quer durch Frankreich, nur ein Tankstop - keine Übernachtung, kein Risiko, nichts wie weg nach Hause! Kilometer um Kilometer, die Landschaft zog vorbei, aber mein Blick wanderte immer wieder in den Rückspiegel. Dort lag sie – ruhig, kraftvoll, erhaben. Eine Legende kommt nach Hause.

Es ist, als hätte sich ein Kreis geschlossen, als hätte die Geschichte gewartet, dass dieser Moment eintritt.

Alles hat eben seine Zeit.

 

Ich sehe sie an und denke an Le Mans, an Gérard, an all die Mechaniker, Fahrer, Träume, Nächte voller Öl und Benzingeruch, tosender Lärm..., Herzrasen. Und nun – sie ist Teil meines Lebens, Teil meiner Geschichte.

 

Sie ist angekommen. Und ich auch.









bottom of page