A110 1300S "Rallye Vltava 1968"
- Jürgen Clauss
- 30. Nov. 2022
- 16 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Juni
FACTORY CAR "USINE"
HISTORY
RALLYE EUROPAMEISTERSCHAFT 1968 RALLYE VLTAVA
05.-07.JULI 1968
RALLYE DÉBUT
FEUERTAUFE DER SIEGE
Es war der 5. Juli 1968, als sich die Wälder und Dörfer der Tschechoslowakei in eine donnernde Kulisse verwandelten – die Rallye Vltava rief und Alpine Renault antwortete mit Entschlossenheit, Leidenschaft und zwei messerscharfen Berlinetten vom Typ A110 1300S.
Nach soliden Auftritten bei der Rallye Monte Carlo, San Remo und Wiesbaden wartete das Werksteam noch immer auf den ganz großen Coup. Die Werksfahrer – Legenden in spe wie Jean Vinatier, Jean-Claude Andruet, Jean-Pierre Nicolas und Gérard Larrousse, hatten Top Ten Ergebnisse eingefahren, doch der erste Sieg blieb aus. Noch. Dann kam Vltava.
In der frischen Sommerluft der Tschechoslowakei rollte die Alpine mit dem Kennzeichen 4712 GE 76 an den Start – besetzt mit dem erfahrenen, präzise agierenden Duo Jean Vinatier und Marcel Callewaert. Die Startnummer 8 war ihre Eintrittskarte zu einem unvergesslichen Debüt, nicht nur für das Team, sondern für Alpine selbst.
Mit unvergleichlicher Eleganz, scharfem Handling und dem charakteristischen Heulen ihres 1300er-Gordini Motors pflügte sich die A110 durch die Prüfungen. Schotter, Asphalt, Serpentinen – nichts konnte die Berlinette aufhalten.
Sie war nicht das stärkste Auto im Feld, aber das flinkste, das leichteste, das klügste. Und genau das war der Schlüssel.
Am Ende dieses dramatischen Wochenendes stand es fest - Alpine Renault hatte Geschichte geschrieben.
Der erste Gesamtsieg im Rahmen der Rallye-Europameisterschaft 1968 war errungen, mit einer 1300S Berlinette,
einem perfekten Zusammenspiel von Mensch und Maschine, von Mut und Mechanik.
Die Rallye Vltava war nicht nur ein Etappensieg – sie war der Startschuss für eine Ära. Eine erste Duftmarke auf dem Weg zur Dominanz im europäischen Rallyesport.
Alpine hatte gezeigt, wozu sie fähig war. Und die Welt begann, zuzuhören.

Fotos © Le Tahitien
Fotos © M. Callewaert
„Die blauen Reiter“ - Jean Vinatier, Jean-François Piot , Marcel Callewaert & Jean Todt im Gespräch.
ALPINE IM ALPENLAND
WIENER G`SCHICHTEN
Es war mehr als ein simpler Fahrzeugwechsel, es war der Beginn einer der charmantesten Kapitel in der Geschichte der Alpine A110. Die Reise der 4712 GE 76 von den Prüfungen der Rallye Vltava direkt in die Hände eines Wiener Gentleman Racers – Walter Roser.
Roser, ein Mann mit feinem Gespür – nicht nur für Düfte, sondern auch für Kurven, war 1968 kein Unbekannter in der Motorsportwelt. Als frisch gekürter österreichischer Staatsmeister auf Renault 8 Gordini hatte er sich längst einen Namen gemacht - schnell, souverän, stilvoll. Und vor allem, leidenschaftlich bis ins Mark.
Seine Tätigkeit als Parfümvertreter führte ihn regelmäßig nach Frankreich und mit seinem feinen Instinkt für Menschen und Maschinen wusste er genau, wo man die besten Verbindungen knüpfte - in Dieppe, im Herzen von Alpine.
Dort lernte er Alain Ducharne kennen, jenen Mann, der bei Alpine die Verantwortung für den Vertrieb in den Ostblockländern trug und der auch das richtige Gespür für Roser hatte.
So kam es, dass der Wiener Charme auf französisches Rennblut traf. Die ehemalige Werks-Berlinette von Jean Vinatier, frisch vom glorreichen Gesamtsieg bei der Rallye Vltava, fand ihren Weg über die Alpen , hinein in ein neues Kapitel ihrer Motorsportkarriere.
Ein Fahrzeugwechsel? Nein. Ein Seelenwechsel. Denn mit Walter Roser wurde die Alpine nicht nur bewegt –
sie wurde gelebt.
Noch im selben Jahr trieb er die 1300S mit dem markanten französischen Kennzeichen 4712 GE 76 über österreichische Pässe und durch europäische Sonderprüfungen – leichtfüßig, furchtlos, stets am Limit. Und sammelte dabei nicht nur Pokale, sondern auch Sympathien.
Diese „Wiener G’schicht’“ ist kein Anhang der Alpine-Historie, sie ist ein Herzstück. Sie zeigt, wie Leidenschaft Grenzen überwindet, wie ein Parfümvertreter zum Semi-Werksfahrer wird und wie eine französische Berlinette in Wien zur Legende reift.

Foto @ TMW
3-2-1-go!
BOSCH RACING TEAM VIENNA
Walter Roser, eine prägende Figur des österreichischen Rallyesports, war von 1967 bis 1971 Mitglied des renommierten BOSCH RACING TEAM VIENNA. Seine Erlebnisse und Erfahrungen aus dieser Zeit hielt er in seinem autobiografischen Werk „3-2-1-go!“ fest. Dieses etwa 90-seitige Taschenbuch bietet einen authentischen Einblick in die Rallyeszene der 1960er Jahre und gilt heute als seltenes Sammlerstück .
In „3-2-1-go!“ schildert Roser nicht nur die technischen und fahrerischen Herausforderungen des Rallyesports, sondern auch die Atmosphäre und den Teamgeist innerhalb des BOSCH RACING TEAM VIENNA. Seine Erzählungen vermitteln die Leidenschaft und das Engagement, mit dem er und seine Teamkollegen dem Motorsport begegneten.
Das Buch dient als wertvolles Zeitdokument und bietet sowohl Motorsportenthusiasten als auch Historikern einen tiefen Einblick in eine bedeutende Ära des Rallyesports.
V. INT. RALLYE DER 1000 MINUTEN 1968
18.10.-20.10.1968

1000 MINUTEN
RALLYE ROMANTIK AUF ÖSTEREICHISCHEM ASPHALT
Die Luft vibrierte, der Asphalt dampfte – die
"1. Internationale Grenz-Rallye der 1000 Minuten" war mehr als nur ein Rennen. Sie war ein neues Kapitel im heimischen Rallyesport. Mit Sonderprüfungen, Zeitdruck und echtem Grenzgefühl führte diese Premiere über rund 900 Kilometer durch das kurvenreiche Niederösterreich, angetrieben von purer Leidenschaft und Präzision.
Der Name war Programm: 998 Minuten Sollfahrzeit – fast 17 Stunden Hochspannung am Stück.
Kein Wunder also, dass sie bald nur noch ehrfürchtig „die 1000 Minuten“ genannt wurde.
Mitten im Geschehen: Walter Roser und sein Co-Pilot Loibnegger. In ihrer flinken Alpine A110 1300S tanzten sie förmlich über die Landstraßen, dominierten souverän das Feld, lagen lange klar in Führung der Gesamtwertung. Doch Rallye ist nicht nur Geschwindigkeit – es ist auch ein Spiel mit Orientierung und Schicksal. Ein Navigationsfehler,
ein kurzer Ausritt abseits der Strecke, eine gebrochene Windschutzscheibe – der Preis: der Gesamtsieg.
Doch echte Rallye-Herzen lassen sich davon nicht bremsen. Trotz Rückschlag fuhren Roser/Loibnegger mit Mut und Können weiter, sicherten sich den 3. Gesamtrang und ließen in ihrer Klasse bis 1300 ccm niemanden an sich heran.
Die 1000 Minuten 1968 waren der Beweis: Rallye ist kein Zufall. Es ist Leidenschaft, Präzision – und manchmal Tragik. Doch wer sie fährt, schreibt Geschichte. Roser tat genau das.


Foto @ TMW
CIRCUIT DEL MUGELLO 1969
TRACKDAY
WO LEIDENSCHAFT AUF LEISTUNG TRIFFT
Wenn sich Geschichte mit Asphalt vereint, entsteht Magie und genau das geschah, als Walter Roser seine Alpine A110 auf den legendären "Circuito del Mugello" führte.
Nicht irgendeine Fahrt, nicht irgendein Tag – dies war ein Tag der Wahrheit. Ein Tag der Technik. Ein Tag der Leidenschaft. Denn wer den letzten Funken Leistung aus einem 1296ccm-Gordini-Triebwerk kitzeln will, braucht nicht nur Mut und Erfahrung, sondern auch die richtige Adresse: CONRERO in Italien – eine Ikone im europäischen Motorsport, ein Tempel für Feinabstimmung, Kraft und Charakter.
Roser wusste, dass Leistung nicht gekauft, sondern erarbeitet, erfahren, erfühlt wird. Und so testete er seine Berlinette mit wachsamem Ohr, feinfühliger Hand und messerscharfem Instinkt, auf den malerisch fordernden Kurven des alten
Mugello-Kurses.
Das Foto erzählt davon. Die Alpine, eine kurze Verschnaufpause am Streckenrand, der Motor noch warm, die Reifen gezeichnet, die Karosserie vom Sonnenlicht gestreichelt.
Hier steht kein Museumsstück – hier ruht ein Rennwagen mit Seele, bereit, erneut die Piste zu erobern.

Foto © Carlo Alberto Gabellieri
3 STÄDTE RALLYE MÜNCHEN - WIEN - BUDAPEST 1969
03.-05. OKTOBER 1969

SCHNELLSTER PRIVATFAHRER EUROPAS
Ein Ritt durch drei Welten, ein Kampf gegen die Zeit – und der Moment, in dem ein Wiener zum schnellsten Privatfahrer Europas wurde.
Der Herbst 1969 war kühl, aber die Luft war elektrisch geladen. Die 3-Städte-Rallye München–Wien–Budapest stand an, ein mythischer Dreiklang aus Asphalt, Staub und Ruhm. In diesem Jahr war das Feld gespickt mit klingenden Namen. Die französische Werkstruppe, Equipe Tricolore, schickte mit Jean-Luc Thérier und Jean Vinatier zwei Titanen ins Rennen – beide auf makellosen Alpine A110 1300S.
Doch da war noch jemand. Walter Roser, der Parfümhändler aus Wien, der längst bewiesen hatte, dass er mehr war als ein Gentleman Driver. Gemeinsam mit Copilot Leopold Mayer nahm er die Herausforderung an, mit seiner eigenen Berlinette, die einst Vinatier selbst durch Europa gehetzt hatte.
In einer Geste, die bis heute Rätsel aufgibt, änderte Roser das originale französische Kennzeichen 4712 GE 76 auf 2575 AL 92 – ein neuer Code für ein neues Kapitel. Und das sollte sich schreiben wie ein Motorsportmärchen.
Von München über Wien bis tief hinein ins ungarische Vértes-Gebirge wurde gekämpft. Kurve für Kurve, Kilometer für Kilometer. Während Thérier im Gesamtklassement führte, trieb Roser seine Berlinette durch die Sonderprüfungen wie ein Besessener – präzise, schnell, kompromisslos.
Doch dann kam Vérteskozma, jene sagenumwobene 12-Kilometer-Prüfung in Ungarn. Thérier, der scheinbar Unbezwingbare, zerlegt dort seine Alpine – das Ende seiner Rallye.
Und Roser? Er flog! Drei Wertungsprüfungen lang ließ er Jean Vinatier, den Routinier, hinter sich.
Mit jedem Kilometer wuchs sein Ruf und spätestens im Ziel sprach man nicht mehr nur von den Werksteams –
sondern vom Privatmann, der sie gejagt hatte wie ein Werksfahrer.
Er wurde gefeiert, bewundert, bestaunt. Und von nun an trug er einen neuen Titel: „Der schnellste Privatfahrer Europas.“


@ TMW

© Rolf Schmidt
QUEL MALHEUR!
Was für ein Drama, was für ein Triumph und was für ein bitterer Nachgeschmack für die Grande Nation!
Die 3-Städte-Rallye 1969, ohnehin ein Feuerwerk der Emotionen, wurde in den letzten Minuten zur Bühne eines wahren Motorsport-Thrillers. Jean Vinatier und Claude Roure, das Elite-Duo der Equipe Tricolore, lagen auf Siegeskurs.
Ihre Alpine A110 lief wie ein Uhrwerk – präzise, schnell, überlegen. Doch dann kam der Moment, in dem nicht das Gaspedal, sondern der Stempel die Entscheidung brachte.
Am Ende einer Sonderprüfung, vielleicht aus Hektik, vielleicht aus Übermotivation, stempelten Vinatier/Roure zu früh.
Ein fataler Fehler im Reglement – zwei Minuten Strafzeit. Im Rallyesport eine Ewigkeit. Auf der anderen Seite: Roser/Mayer, die Lokalmatadore aus Österreich. Auch sie hatten sich einen Fauxpas erlaubt – aber nur eine Minute.
Und so geschah es: Nicht die schnellste Zeit, sondern die größte Disziplin brachte den Sieg.
Der Protest der französischen Mannschaft ließ nicht lange auf sich warten – hitzig, laut, verbissen. Doch das Reglement war unerbittlich, der Stempel gnadenlos. Der Gesamtsieg ging ins Alpenland.
Walter Roser und Leopold Mayer standen am Ende ganz oben – nicht durch Zufall, sondern durch Können, Durchhaltevermögen und das Quäntchen Glück, das jede Legende braucht.
„Quel malheur!“ klang es aus französischen Kehlen.
„C’est la course!“, konterte man in Wien.



SHOWTIME
Nach dem umjubelten Triumph bei der legendären Drei-Städte-Rallye München–Wien–Budapest 1969 wurde sie zum strahlenden Mittelpunkt einer neuen Bühne – Roser's Alpine A110 1300S war nicht länger nur Rennwagen, sie war Ikone.
Glänzend poliert, mit noch frischen Spuren des Sieges in Lack und Blech, thronte sie auf dem Stand von Renault –
der Publikumsmagnet auf einer heute leider nicht näher dokumentierten Automobilmesse. Wer den Stand betrat,
spürte es sofort, hier steht kein Ausstellungsstück – hier steht eine Legende.
Zwischen elegantem Licht und glänzendem Chrom zog sie alle Blicke auf sich. Kein Werbeslogan, kein Prospekt hätte besser für die Marke sprechen können als dieser kleine weiße Blitz mit der mysteriösen Kennzeichenänderung:
2575 AL 92.
Sie war nicht nur ein Auto. Sie war eine Geschichte aus Benzin, Schweiß und Ruhm.
Ein Symbol dafür, dass auch ein Semi-Werksfahrer aus Wien die großen Namen Frankreichs bezwingen konnte –
und dass eine Berlinette mehr sein konnte als ein Rennwagen - ein Statement. Die Bühne gehörte ihr.
VI. INT. RALLYE DER 1000 MINUTEN 1969
17.10.-19.10.1969

Anspruchsvollste Rallye Österreichs
Sie war brutal schnell, gnadenlos lang und nichts für schwache Nerven – die „Rallye der 1000 Minuten“ war Österreichs härteste Prüfung auf Asphalt, Schotter.
Kein Sonntagsspaziergang, sondern ein gnadenloser Tanz durch die Nacht, über 900 Kilometer pure Rallye-Essenz. Wer hier bestehen wollte, musste alles geben. Verstand, Können und Mut.
KING OF COOL
Und mittendrin: Walter Roser, Gentleman mit Rallyegen. Der Duft von Benzin mischt sich mit einem Hauch Parfum – kein Wunder, schließlich war Roser Parfümvertreter von Beruf. Aber was ihn wirklich auszeichnete, war Stil.
Im Parc Fermé flaniert er im feinen Anzug, mit lässig gezündeter Zigarette und dunkler Sonnenbrille, als hätte Steve McQueen eine Berlinette adoptiert.
Vor ihm steht seine Waffe - die legendäre Alpine A110 1300S, einst mit dem Kennzeichen 4712 GE 76, nun als 2575 AL 92 unterwegs – der französische Charme ist geblieben, das Kennzeichen ein Mysterium.
Die Berlinette, die schon Jean Vinatier zum Sieg getragen hatte, ist nun Rosers treue Gefährtin in der Wildnis der Alpenetappen.
Und wie sie fliegt! Schlank, nervös, schnell – mit Roser am Steuer wird die Berlinette zur Verlängerung seines Willens. Jeder Drift, jeder Bremspunkt, jede Sekunde zählt. Und doch bleibt er cool, unbeirrt, fokussiert.
Ein Gentleman im Kampfanzug. Ein Champion mit Stil. Ein König der Kurven – der King of Cool.
© TMW
VII. INT. RALLYE DER 1000 MINUTEN 1970
16.–18. OKTOBER 1970
FAHRERTAUSCH
EINE ÄRA IM WANDEL
Die „Rallye der 1000 Minuten“ war mehr als nur ein Lauf zur Europameisterschaft – sie war ein Mythos auf Rädern, ein Prüfstein für Mensch und Maschine. Wer hier bestehen wollte, musste Herz und Hirn im Gleichklang schlagen lassen.
Die siebte Auflage 1970 versprach einmal mehr Tempo, Drama und Legendenbildung.
Und mittendrin, ein Kapitelwechsel.
Georg Koltay, talentierter Mann mit Benzin im Blut, übernimmt das Steuer jener Berlinette, die einst als 4712 GE 76
die Rallyewelt aufmischte. Die Kamera fängt ihn ein – konzentriert, fokussiert, bereit, Geschichte weiterzuschreiben.
Kein leichter Job, denn dieses Auto trug das Erbe von Vinatier und Roser, trug Siege, Dramen, Ruhm.
Doch Koltay war nicht der Einzige. Zwei weitere österreichische Rallyeprofis nahmen nacheinander Platz im engen Cockpit dieser Alpine – jeder mit eigenen Ambitionen, jeder mit seiner Geschichte. Manche Kapitel schrieben Erfolge, andere gingen im Staub der Wertungsprüfungen verloren. Doch allen gemeinsam war der Respekt vor der Maschine
und vor dem, was sie bedeutete.
Denn diese Berlinette war mehr als nur Glasfaser, Metall und Gordini-Motor. Sie war ein Stück lebendige Rallye-Geschichte. Ein fahrbares Vermächtnis. Und obwohl sie bald in die Hände ambitionierter Hobbypiloten wanderte,
blieb ihr Geist ungebrochen.
Ein Wagen. Eine Ära. Und Fahrer, die kamen und gingen – doch nie spurlos.
© TMW
PRIVATFAHRER
Nach den glanzvollen Erfolgen von Walter Roser in den Saisonen 1968 und 1969 tauschte er die legendäre 4712GE76 gegen eine stärkere Alpine A110 1600S – doch damit begann ein neues Kapitel für die 1300S.
Das filigrane, agile Rallye-Biest gelangte in die Hände des österreichischen Privatfahrers Josef Barbach.
Mit ebenso großer Leidenschaft und Können steuerte Barbach die Berlinette durch die kurvenreichen Alpenpisten,
wo sie ihre ganze Agilität und ihren unverwechselbaren Charakter ausspielte.
Er schrieb seine eigenen Geschichten, jagte um jede Sekunde, spürte das Herz des Gordini-Motors in jeder Kurve.
Das Bild zeigt ihn voller Stolz neben einer verdienten Trophäe – ein stilles Zeugnis seiner Erfolge und seiner tiefen Verbundenheit mit diesem außergewöhnlichen Rallyewagen. Im Hintergrund thront das Porträt seines treuen Begleiters, der 1300S, die ihm unvergessliche Momente auf der Straße bescherte.
Hier verschmelzen Fahrer und Maschine zu einer Einheit, die mehr ist als Sport – es ist pure Leidenschaft,
die im Asphalt und in der Geschichte der Rallye lebendig bleibt.

Josef Barbach! Ex-1300S Pilot.
SEARCH AND RESCUE
GEDULDSPIEL
AUGUST 2005
Ein Bild des Jammers bot die einst stolze Werksalpine, als sie in Wien für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen wurde – schwer verunfallt, gezeichnet von der Zeit und vom Schicksal. Für diese einzigartige Berlinette schien es das endgültige Aus zu sein. Ein ungewisses Dasein im Alpenland, fernab von Glanz und Rennstrecken, zeichnete sich ab.
Die Spur führte durch die Hände von mindestens einem halben Dutzend Liebhabern – doch keiner wagte sich an die Wiederherstellung heran. Die Hoffnung schien erloschen und die Geschichte der Alpine drohte im Staub der Vernachlässigung zu versinken.
Doch im August 2005 wendete sich das Blatt. Nach jahrelangen Besuchen während meiner Sommerurlaube in Österreich hatte sich eine Freundschaft zwischen mir und dem damaligen Besitzer entwickelt. Er vertraute mir die kostbare Ex-Alpine von Walter Roser an – mit der Überzeugung, dass ich ihr neues Leben einhauchen würde.
So begann das große Geduldsspiel, ein Akt der Liebe und des Glaubens an die Wiedergeburt einer Legende.
Ein Versprechen, das diese Berlinette nicht nur zu restaurieren, sondern zu neuem Glanz zu führen –
als wäre sie nie gefallen.
BLOOD SWEAT AND TEARS
LACKIERUNG
JANUAR 2008
SPRAY & PRAY
Die artegerechte Wiederherstellung einer Berlinette ist kein gewöhnlicher Werkstattauftrag – sie ist eine Kunstform.
Sie verlangt weit mehr als handwerkliches Geschick und technisches Verständnis.
Es braucht tiefe Kenntnisse über die Evolution dieses einzigartigen Fahrzeugs, insbesondere in seiner wettbewerbserprobten Ausführung. Denn Renn-Berlinetten unterscheiden sich in unzähligen Details von ihren zivilen Geschwistern – oft so subtil, dass sie in keinem Handbuch, keinem Restaurierungsratgeber zu finden sind.
Fast drei Jahre vergingen – geprägt von Höhenflügen der Begeisterung und Momenten tiefer Zweifel – bis die Karosserie endlich bereit für den Lack war. Stunden um Stunden reiner Schleifarbeit, jeder Millimeter per Hand geformt, gespürt, verfeinert. Jede Kontur, jede Linie, jeder Radius musste stimmen.
Eine professionelle Lackierung war das absolute Muss. Denn nichts wäre tragischer, als all diese Vorarbeit durch eine nachlässige Lackschicht zu entwerten. Die Erwartungen waren hoch, der Druck immens. Und doch – trotz Planung, Präzision und Perfektion - der Moment, in dem die Lackpistole zum ersten Mal über das Polyestergewebe streicht,
bleibt einer des Hoffens, des Bangens.
Spray & Pray. Denn jetzt entscheidet sich, ob die monatelange Hingabe in einem makellosen Finish gipfelt – oder in Ernüchterung endet.
Es ist dieser schmale Grat zwischen Risiko und Belohnung, zwischen Technik und Emotion, der die Lackierung zum vielleicht magischsten Moment jeder Restauration macht.
REMONTAGE
APRIL 2010
DER TEUFEL STECKT IM DETAIL
Der große Moment war gekommen – der Zusammenbau. Doch wer glaubt, nun sei es nur noch ein Puzzle aus Teilen,
der irrt gewaltig. Die finale Montage ist ein Akt höchster Präzision und der ultimative Beweis, wie viel Leidenschaft
und Perfektion in dieser Restauration steckt.
Schon vor der Lackierung wurden sämtliche Anbauteile exakt angepasst, jedes Bohrloch passgenau gesetzt, jedes Spaltmaß verfeinert, jede Tür und jede Haube penibel eingepasst. Jetzt, in diesem entscheidenden Abschnitt,
durfte nichts dem Zufall überlassen werden.
Die Wiederherstellung harmonischer Spaltmaße, exakter Lichtkanten und symmetrischer Übergänge verschlang unzählige Stunden – doch sie war es wert. Denn genau hier entscheidet sich, ob ein Fahrzeug restauriert wurde –
oder neu erschaffen.
Jedes einzelne Teil, vom Scheinwerferglas bis zur Tankklappe, wurde begutachtet, aufgearbeitet und zum Strahlen gebracht. Selbst scheinbar banale Komponenten wie die Magnete der Tankklappe wurden nicht billig ersetzt, sondern mit Akribie und Hingabe beim Originalhersteller in Frankreich aufgespürt – für ein Resultat, das Authentizität atmet.
Denn am Ende ist es dieser kompromisslose Anspruch an jedes Detail, der eine Restauration nicht nur gut,
sondern außergewöhnlich macht.
TRIEBWERK
„LE SORCIER“ – DER HEXER LEBT
Wenn sich der Blick auf einen einbaufertigen GORDINI-Rennmotor mit 1296 cm³ und rund 135 PS richtet, beginnt das Herz eines jeden Liebhabers der französischen Ingenieurskunst schneller zu schlagen. Es ist nicht bloß ein Aggregat,
es ist ein mechanisches Manifest, das vom Genie Amédée Gordinis erzählt.
Der legendäre „Sorcerer“ – der Zauberer – wie ihn ganz Frankreich ehrfürchtig nannte, hauchte gewöhnlichen
Renault-Motoren das Feuer ein, das sie zu unschlagbaren Kämpfern auf den Rallyepisten Europas machte.
Und dieser Motor hier? Er trägt sein Vermächtnis in jeder Schraube, jedem Bauteil, jedem metallischen Puls.
Die eigens gefertigte Riemenscheibe an der Kurbelwelle – ursprünglich konzipiert für den Chassis-seitig montierten Lichtmaschinenantrieb – ist ein technisches Relikt und zugleich ein Kunstwerk. Details wie diese erzählen von der Genialität, die Gordinis Motoren von anderen abhob.
Unübersehbar die handgeschweißte Ölwanne mit integrierten Kühlrippen – ein unverkennbares Merkmal jener Epoche, in der Leistung über alles ging. Die Rennbirne ohne Schalldämpfer ist keine Provokation, sondern ein Bekenntnis -
zur Freiheit, zur Kraft, zur Ursprünglichkeit.
Und dann ist da dieser Klang. Dieses metallische Fauchen, das aus dem Innersten des Gusseisens dringt – ungehobelt, ehrlich, elektrisierend. Der Sound eines Gordini-Motors ist keine bloße Geräuschkulisse – es ist Musik. Musik, die nicht aus einem Lautsprecher kommt, sondern aus der Tiefe der Mechanik. Musik, die Erinnerungen weckt und Träume antreibt.
Der „Sorcerer“ mag längst nicht mehr unter uns weilen. Doch mit jedem Zündfunken lebt er weiter.
In Motoren wie diesem. In Berlinetten wie dieser. In Momenten, die Geschichte atmen.

BACK ON TRACK
LICHT & SCHATTEN
OKTOBER 2010
HERBSTZEITLOSE
Es ist jener magische Moment im Jahr, wenn der Sommer sich verabschiedet, die Wälder in Gold getaucht sind und das Licht in langen, warmen Strahlen über den Asphalt streicht. Die Sonne steht tief, das Spiel von Licht und Schatten flackert wie eine Erinnerung – flüchtig, aber voller Leben. Inmitten dieser melancholischen Schönheit gleitet sie dahin, die No. 8.
Wie ein Mythos auf Rädern kehrt sie zurück – nicht als museales Schaustück, sondern als lebendige Legende. Ihr zweiter Frühling ist kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrelanger Hingabe, Akribie und Liebe zum Detail. Auferstanden wie ein Phönix aus der Asche, zeigt sie sich in jenem Zustand, in dem sie 1968 in der Tschechoslowakei Rallye-Geschichte schrieb - im vollen Ornat des Vltava-Siegers, mit all den originalen Optionen, die ihr das Werk einst mit auf den Weg gab. Und obwohl ihr Dekor klar, ihr Auftritt zurückhaltend ist – liegt in dieser Schlichtheit ein stiller Stolz. Nichts ist zu viel, nichts zu wenig. Die Formen fließen, die Details flüstern Geschichten, die nur jene hören, die bereit sind, genau hinzusehen. In der Welt der Alpine A110 1300S ist Zurückhaltung keine Schwäche, sondern höchste Form der Eleganz.
Diese Berlinette spricht nicht – sie singt. Von glorreichen Tagen, von Benzin und Staub, von Präzision und Leidenschaft. Und an einem goldenen Oktobertag im Jahr 2010 erzählt sie uns, was es heißt, Licht nach so viel Schatten zu tragen.
GET OUT AND DRIVE
FLAT OUT
OKTOBER 2010
LET’S DRIFT AGAIN
Der Herbst liegt in der Luft – kühl, klar, verheißungsvoll. Die Straße ist trocken, das Lenkrad liegt fest in der Hand, der Gurt zieht sich über die Schulter. Und dann: Zündung, ein kehliges Bellen – der 1296ccm Gordini erwacht zum Leben. Was folgt, ist keine Spazierfahrt - es ist eine Offenbarung.
Kaum auf Temperatur, zeigt die Berlinette, wofür sie gebaut wurde. Leicht, kompakt, tief – ein Messer durch Butter.
Der präparierte Rennmotor dreht willig bis in höchste Regionen, das Gaspedal wird zum Pinsel, der Kurven zu Gemälden macht.
Dann der Moment, ein kurzer Impuls am Lenkrad, Gas – Drift. Das Heck bricht aus, kontrolliert, willig, als hätte es nur auf diesen Tanz gewartet. Ein leichtes Gegenlenken und sie steht quer wie aus dem Bilderbuch.
Kein wildes Ringen, sondern fließende Bewegung – Präzision, Gefühl, Balance.
Insider wissen, unter allen Varianten der Alpine A110 ist es die 1300S mit präpariertem Gordini-Herz, die am direktesten zur Seele spricht. Kein übertriebenes Gewicht, keine unnötige Gewalt – nur pure, ungefilterte Fahrfreude.
Der Drift ist kein Kontrollverlust. Es ist Kontrolle in ihrer schönsten Form. Und so tanzt sie durch den Herbst – leichtfüßig, gierig, souverän. Ein Revival alter Tage, ein Aufbruch in neue Abenteuer. Let’s drift again – als hätte sie nie aufgehört.
CAR IN DETAIL
DÉJÀ VU
OKTOBER 2010
IM RÜCKSPIEGEL
Was würde wohl Jean Vinatier heute sagen, beim Anblick seines einstigen Rallye-Gefährts?
Würde er sie wiedererkennen – diese kleine, hellblaue Kämpferin mit den markanten Rundungen und dem unverwechselbaren Blick? Würde er sich erinnern an das Lenkrad, das er in jener legendären Sommernacht 1968 in Südböhmen fest umklammerte, als er mit der Berlinette durch das kurvige Band bei Pisek flog – getrieben von Ehrgeiz, Benzin und dem Willen zum Sieg?
Wahrscheinlich nicht. Für Vinatier war sie damals ein Werkzeug. Eine Waffe. Ein Präzisionsinstrument, um Etappenschnitte zu pulverisieren und Gegner hinter sich zu lassen.
Es zählte nicht die Ästhetik, sondern der Sekundenzeiger. Kein Platz für Sentimentalität – Rallye bedeutete Kampf.
Doch heute, im goldenen Licht des Oktobers, ist sie mehr als das - eine Zeitzeugin, eine Skulptur auf Rädern.
Die Schärfe vergangener Tage wurde durch Würde ersetzt, ihre Narben trägt sie nicht mehr, aber ihre Geschichte
bleibt spürbar. Jedes Detail erzählt von Triumph, Tragik, Technik und von der unbändigen Leidenschaft, die nötig war,
um sie aus der Vergessenheit zurückzuholen.
Die Berlinette ist angekommen. Nicht mehr als Renngerät – sondern als Ikone. Und vielleicht, nur vielleicht, würde Vinatier bei ihrem Anblick heute schweigen, lächeln… und kurz nicken.
FOREVER
FEBRUAR 2018
MOMENT INVITATIONAL FILM FESTIVAL
I-PHONE ONLY
Manchmal sind es die verrücktesten Ideen, die die größte Wirkung entfalten.
Ein kompletter Film, ausschließlich mit dem iPhone gedreht? Warum nicht.
Filmemacher und kreativer Freigeist David zu Elfe hatte die Vision – klar, kompromisslos, poetisch. Was folgte, war ein wilder Ritt gegen die Zeit: Nur wenige Tage lagen zwischen der ersten Idee und der finalen Umsetzung. Die Deadline für das Moment Invitational Film Festival rückte erbarmungslos näher.
Es war Februar. Eisregen peitschte über Landstraßen, Schnee fegte durch die Wälder und mittendrin diese Berlinette,
als Protagonistin einer Geschichte, die über das Sichtbare hinausgeht.
"FOREVER" – mehr als ein Film. Eine Liebeserklärung. An Formen, an Klang, an Bewegung. An das, was bleibt,
wenn das Tosen der Motoren längst verhallt ist.
Die Juroren liebten es. Die Zuschauer fühlten es. Und wir? Wir wussten: Manche Dinge sind eben für immer.
...and the winner was:
// a film by DAVID ZU ELFE (https://instagram.com/davidzuelfe/)
// recording, sound design & score by PHILIPP STEPHAN(https://instagram.com/deafbirdsound/)
// voiced by RICK WHELAN (https://www.fiverr.com/heresricky)
// poem by PAUL LAWRENCE DUNBAR (1872 - 1906)
// car provided by JUERGEN CLAUSS / ALPINELAB.DE